Das schloss Bianello
Von den antiken und mächtigen Schlössern, die sich früher in einer Reihe über den Gipfeln der Quattro Colli di Quattro Castella erhoben haben, ist heute nur noch das Schloss Bianello zu sehen. Von den anderen drei Festungen mit den Namen Monte Vetro, Monte Lucio und Monte Zane sind nur noch Ruinen übrig geblieben, über die die mächtigen und von den antiken Wehrtürmen durchbrochenen Gefechtsmasten hinausragen. Das Festungssystem der Colli di Quattro Castella ist eine der bedeutendsten Überlieferungen für Verteidigungsanlagen aus dem Mittelalter in Italien: Von diesem beeindruckenden Burgensystem gibt es zahlreiche schriftliche Überlieferungen. Dazu zählt die im Jahre 1285 von Frau Salimbene aus Parma verfasste Quelle, die von besonderer Bedeutung ist. Sie liefert nämlich wichtige Informationen, um den ursprünglichen Zustand dieser Bauwerke wiederherstellen zu können.
Auch das Schloss Bianello hat zwar den Verfall überlebt, ist aber trotzdem nicht von den grundlegenden Veränderungen, die im Laufe der Zeit eingetreten sind, verschont geblieben. Dadurch hat es nämlich die aktuelle Gestalt eines prestigevollen Herrschaftssitzes angenommen. Man erreicht das Schloss über einen langen und zauberhaften Weg, der in einen dichten Wald führt. Er bedeckt den Hügel, auf dem sich die Festung befindet. In circa 15 Minuten erreicht man das mittelalterlich gestaltete Eingangsportal. Schreitet man hindurch, liegen seitlich die Gebäude des Ortes. Dann gelangt man auf die Aussichtsplattform, die von dem antiken Hauptturm beherrscht wird, dem Wehrturm. Dieser stellt das älteste Bauelement des architektonischen Komplexes dar. Das erkennt man an der besonderen Bautechnik mit Blöcken aus quadratischen Steinen, die in parallel verlaufenden Reihen angeordnet sind.
Der aktuelle Schlosspalast hat sich über die Jahrhunderte hinweg dadurch weiterentwickelt, dass verschiedene Gebäudeteile um den Wehrturm herum angegliedert wurden: In der oberen Westfassade sind einzelne ausgefachte zweibogige Fenster wahrscheinlich auf den antiken Feudalpalast zurückzuführen, während der restliche Teil des Schlosses infolge zahlreicher Umwandlungsarbeiten, die zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert durchgeführt wurden, das Aussehen einer prestigevollen Patrizierresidenz erhalten hat. Die wichtigsten dieser Arbeiten wurden ab dem Jahr 1881 durchgeführt, nachdem das Schloss von einer bedeutenden Familie aus Genua, den Bacigalupo erworben wurde. Im Jahr 2002 hat die Gemeinde Quattro Castella die Komplexe von Bianello und Quattro Castella gekauft und ein wichtiges Restaurierungsprogramm gestartet, das immer noch läuft. Sobald man das Schloss betritt, sieht man links die große Monumentaltreppe. Sie führt zu dem noblen Stockwerk, das sich durch einen großen Ballsaal mit eleganten Gemälden, die auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurückgehen, auszeichnet.
Von hier aus folgt eine Reihe an Zimmern, die mit Fresken aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und mit kostbaren Einrichtungsgegenständen aus eben dieser Zeit ausgestattet sind. Im Erdgeschoss kann man neben den Wohnbereichen, die einst von dem Cavaliere Carlo Bacigalupo bewohnt wurden und in denen sich kostbare Fußböden aus dem Ende des 19. Jahrhundert und zahlreiche Möbel aus dieser Epoche befinden, andere Zimmer besuchen, die sehr edel eingerichtet sind. In einem dieser Räume hängt das älteste bekannteste Portrait der Mathilde von Canossa. Es handelt sich um eine Wandleinwand, die aus dem frühen 15. Jahrhundert stammt. Von beachtlichem Interesse sind die Küchen, die heute noch mit den ursprünglichen Möbeln eingerichtet sind, die von Carlo Bacigalupo Ende des 19. Jahrhunderts ins Schloss gebracht wurden. Zur Bergseite hinter dem Schloss erstreckt sich in der Nähe eines kürzlich restaurierten Kolonialgebäudes einer der bedeutendsten Olivenhaine im Territorium von Reggio. Er konnte mühelos erhalten werden, weil er von einer steilen Felswand geschützt wird, die die kalten Nordwinde abhält.
In dem Wald, der das Schloss umgibt, befinden sich dichte Baumgruppen. Sie werden von hochgewachsenen Eichen dominiert, die aus einem Landschaftskontext von seltener Schönheit stammen. Im Gebiet der Quattro Colli gibt außer dem Bianello eine Festungsstruktur, die – obwohl sie zu Ruinen verkommen ist – die größte Baukomplexität aufweist. Sie befindet sich auf dem Monte Vetro, wo es eine komplexe Folge von Mauerstrukturen mit Erdwällen, Wohnhausanlagen und anderen Manufakturen gibt, die die Bedeutung dieses antiken Festungskerns bestätigen. Hierhin gelangt man über einen Weg, der von der darunterliegenden Pfarrkirche S. Antonino abzweigt, den westlichen Teil des Hügels hinaufführt und einen wundervollen Kastanienhain durchquert. Dieser wiederum zeichnet sich durch einzelne hochstämmige Bäume aus, die für das Pflanzenpanorama des am Fuße der Hügel liegenden Gebiets um Reggio sehr ungewöhnlich sind. Ein gewundenes Wegesystem verbindet die Quattro Colli zu einer zauberhaften Wegstrecke, die das große naturalistische Interesse des Gebiets mit der begleitenden Präsenz eines außergewöhnlichen historischen Patrimoniums verbindet. Wegen dieser bedeutenden Eigenschaften wurde der Komplex der Quattro Colli kürzlich als Kandidat für die Auszeichnung SIC (Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung) nominiert.